Heute ein sehr unauffälliges Viertel am Rande der Stadt, früher ein wichtiger Teil Münchner Stadtentwicklung. Was hat Laim geprägt und was ist Laim heutzutage? Ein Abriss der Geschichte Laims, der Bewohnern des Viertels die Augen öffnen und Besuchern die versteckte Wichtigkeit vor eben diese führen soll. Heute nehme ich euch mit auf eine Spurensuche durch die Straßen, die den Großteil meines Lebens geprägt haben, ebenso wie die jüngere Münchner Geschichte.
Laim: Stadtteil Geschichte mit persönlichem Hintergrund
Im Stadtteil Laim bin ich aufgewachsen und groß geworden, mein Kindergarten, meine Grundschule und mein Hort befinden sich hier. Das Gymnasium, das ich besuchte, liegt nur drei Minuten jenseits der Stadtteilgrenzen, der Sportverein, dem ich jahrelang angehörte, ist der SV Laim, direkt hinter dem Laimer Anger.
Laim bedeutet für mich also “Heimat”, mit all den Konnotationen, die dieses Wort mit sich bringt. Doch erst vor Kurzem, nachdem ich schon viele Jahre nicht mehr in Laim lebe, lernte ich etwas über die Geschichte meiner Heimat.
Ich erinnere mich nur vage an den “HSU – Heimat- und Sachkundeunterricht”, in dem wir Minimales über unseren Stadtteil lernten. Laim komme von Loco Leima “Lehmort” und war noch nicht immer ein Teil Münchens. Danach ging es dann um die Stadtgeschichte, das Peterskloster und die vielen verschiedenen Turmformen, die der Dom über die Jahre annahm, den Bischof von Freising, Brücken und Streit um Salzzölle.
Dass Laim eine große Rolle in der Industrialisierung der Stadt spielte, habe ich entweder vergessen oder, und das halte ich für deutlich wahrscheinlicher, wurde gar nicht erst erwähnt. Kein Wunder, denn woher sollen Grundschüler wissen, was die Industrialisierung ist?
Rennbahn
Einer meiner Kindheitsfreunde und Nachbarn war Sohn einer Autorin, die Kriminalromane schreibt und in diesen Romanen häufig die historische Umgebung Münchens benutzt. Einer ihrer wenig bekannten Kurzgeschichten zufolge, wurde beim Bau unseres Mehrfamilienhauses eine Leiche in der frisch ausgehobenen Baugrube gefunden.
Als Kind war ich fasziniert von der Vorstellung, eine ausgedachte Geschichte mit den Straßennamen zu füllen, die rund um mich herum verliefen. Heute bin ich immer noch fasziniert, wenn ich herausfinde, dass genau an der Stelle, an der eben dieses Mehrfamilienhaus steht, in dem ich aufwuchs, früher die Zuschauertribüne einer Pferderennbahn stand.
Die erste Besucherattraktion, die sich so hoher Beliebtheit erfreute, dass sie schlussendlich abgerissen und verlegt wurde, war die Pferderennbahn bei Laim. Heute sind nur zwei Spuren dieser Rennbahn in Laim übrig geblieben: Das Restaurant Potlatsch und das Wirtshaus Am Ziel.
Das erste hieß früher Zur Rennbahn und wird manchmal heute immer noch so genannt. Das Wirtshaus Am Ziel trägt diesen Namen allerdings nicht ganz zu Recht. Erstens weil die Rennbahn rund war und somit kein klares Ziel hatte und zweitens ist es ungefähr 800 Meter weiter westlich als die nächste Stelle der alten Rennbahn.
Der nördlichste Punkt dieser war die heutige Stadtbibliothek an der U-Bahn Laimer Platz, im Westen die Fürstenrieder Straße, im Osten die Friedenheimer Straße und im Süden der Kärtnerplatz.
Fürstenrieder Straße
Begeben wir uns an den nördlichsten Punkt der ehemaligen Pferderennbahn, dann stehen wir knapp zwei Minuten entfernt von der U-Bahn-Haltestelle Laimer Platz. Diese wurde im Jahr 1988 gebaut und band die südlichen Teile des Stadtbezirks, die weit von der S-Bahn entfernt liegen, an den Personenverkehr an.
Gehen wir nun die Fürstenrieder hoch und wundern uns über den Namen dieser Straße. Sie ist eine der ältesten Straßen Laims und führt keineswegs in die Richtung von Fürstenried, sondern Richtung Forstenried und so hieß die Straße früher auch.
Nur eine Querstraße weiter, ungefähr sechs Minuten vom Laimer Platz entfernt, ist der Subway, der Bücher Hacker und seit neuestem ein Fahrradgeschäft. Im Subway verbrachten meine Schulkameraden und ich häufig unsere Freistunden, nichtsahnend, dass wir an der Stelle eines Zentrums des sozialistischen Widerstands gegen die Nationalsozialisten (s)aßen.
Margot und Ludwig Linsert waren im Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK) organisiert und waren an verschiedenen widerständigen Propagandaaktionen beteiligt. Ihr Geschäft in der Fürstenrieder Straße diente vielen ISK-Mitgliedern als sicherer Hafen und Durchreisepunkt auf der Flucht. Sie wurden 1938 von der Gestapo verhaftet, überlebten beide die Gefangenschaft und waren nach dem Krieg im DGB aktiv.
Agnes-Bernauer Straße
Nur ein paar Meter weiter an der Kreuzung Agnes-Bernauer und der gleichnamigen Trambahnstation befindet sich die Grund- und Mittelschule Fürstenrieder Straße. Die an der gleichen Stelle steht, wie das erste Schulhaus Laims. Mit dem Bevölkerungszuwachs der Industrialisierung musste ein größeres Schulhaus gebaut werden. Das Endprodukt ist dieses prachtvolle Gebäude an dieser Stelle.
Die Agnes-Bernauer Straße ist nach der Baderstochter benannt, die möglicherweise mit dem bayerischen Herzog Albrecht III. verheiratet war. Agnes wurde eines Tages in der Donau ertränkt, da sie der Lüge, Hexerei oder Ehebruchs bezichtigt wurde. Ein für die Zeit höchst ordinäres Schicksal von Frauen, die sich nicht bedingungslos unter die Herrschaft der Herren fügen wollten.
Lange Zeit gingen Historiker davon aus, die junge Frau hätte tatsächlich im Stadtteil Laim gelebt, doch inzwischen ist sicher, dass sie tatsächlich in Blutenburg hinter Pasing lebte. Der ehemalige Pasinger Feldweg wurde trotzdem nach ihr benannt.
Agricolaplatz
Wenn wir links in die Agnes-Bernauer-Straße einbiegen, kommen wir nach ungefähr 15 Minuten Fußweg zur Agricolastraße. Durch diese Straße ist das Restaurant Laimer’s zu erreichen, das sich im selben Gebäude befindet wie das einzige Kino Laims, das Neue Rex. Früher gab es auf der Fürstenrieder Straße drei Kinos, die alle allerdings von der steigenden Nutzung des Fernsehens überflüssig gemacht wurden.
Der Agricolaplatz ist allerdings aus einem ganz anderen Grund spannend. Schon auf den ersten Blick ist hier auffallend, dass der Großstadtflair einer deutlich dörflicheren Umgebung weicht. Im Zentrum des Platzes ist eine kleine Grünfläche mit Spielplatz, auf der Westseite des Platzes befindet sich ein kleiner Torbogen, der den Eingang zur sogenannten Villenkolonie bildet. Diese wurde im Zuge des Bevölkerungsanstiegs am Ende des 19. Jahrhunderts genossenschaftlich errichtet und diente Bahnangestellten als Unterkunft.
Auch auf der Nordseite des Platzes befinden sich Wohnraumprojekte von historischer Bedeutung. Theodor Fischer, der am Laimer Anger im Laimer Schlössl residierte, baute hier eine Wohnsiedlung in Reihenbauweise.
Der Rangierbahnhof im Stadtteil Laim
In mehreren Teilen Laims werdet ihr bei einem Spaziergang durch das Stadtviertel Spuren der Eisenbahner finden. Ich habe erst bei der Recherche für diesen Artikel die eigentliche Herkunft dieser Spuren entdeckt. Früher fuhr ich oft mit dem Rad durch die Guido-Schneble-Straße und malte mir phantasievoll aus, was es wohl mit den Lokomotivgravuren auf sich hat.
Die Jahreszahlen, die ebenfalls über den Eingängen angebracht sind, weisen uns in die Richtung der Zeit der Industrialisierung. Zu dieser Zeit war Laim nämlich sehr ländlich und auf den umliegenden Feldern war genug Platz für den um 1890 dringend benötigten Rangierbahnhof.
Dieser Bahnhof führte auch zum Bau des noch heute bestehenden Personenbahnhofs für die damalige Vorortbahn und den Regionalverkehr Richtung Westen und Norden. Mit dem Bau dieses Bahnhofs wurde auch die Laimer Unterführung gebaut, die noch heute einer der wichtigsten Über- (bzw. Unter-) Gänge der Stammstrecke ist. Rund um den Bahnhof siedelte sich dann Industrie an.
Industrielle und nationalsozialistische Geschichte Laims
Die Industrie rund um den Bahnhof herum und die Eisenbahn führte nicht nur zu intensiven Wohnungsbau oder, wie südlich von Laim neben dem Westpark, zur Inbetriebnahme einer Heilanstalt, die bis 2011 eine Gehörlosenschule war, sondern auch zur Errichtung mehrere Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlager.
Eines dieser Zwangsarbeiterlager lag nur zwei Minuten entfernt von einem Haus, in dem ich einen großen Teil meiner Kindheit verbrachte. An der Aindorferstraße, nach heutiger Situation in der Geviert-Byecher-, Camerloher-, Agricola- und Aindorfer-Straße, wurden noch vor der Fertigstellung im Jahre 1944 in 22 Baracken um die 1000 mehrheitlich sowjetische Zwangsarbeiter*innen untergebracht.
An der Ecke Landsberger-Straße und Wotan-Straße gab es ein Gefangenenlager für Menschen aus den von Nazi-Deutschland besetzten Gebieten. Untergebracht waren diese in Baracken der städtischen Verkehrsbetriebe.
Die Nationalsozialisten hatten für München große Pläne. Beispielsweise sollte der Hauptbahnhof auf die Höhe der heutigen Friedenheimer Brücke verlegt werden und die Landsberger Straße zur Hauptverkehrsachse und Prunkstraße umgebaut werden.
Der Krieg und seine Kosten kamen diesen Plänen in den Weg. Laim hätte sonst direkt am Zentrum der Hauptstadt der Bewegung gelegen. Stattdessen wurde Laim (möglicherweise) am Tag der Befreiung Münchens durch die Amerikaner zu einem wichtigen Schauplatz.
In der Egetterstraße 16 wird am 30. April 1945 die Stadt offiziell den Amerikanern übergeben. Diese Information ließ sich vor Redaktionsschluss nicht hundertprozentig verifizieren, da die SZ nicht rechtzeitig auf unsere Anfragen zu ihrem Artikel antwortete, dem diese Information entnommen wurde.
Der Stadtteil Laim heute
Gaststätten und Restaurants in Laim
Außer den bereits erwähnten Lokalitäten hat der Stadtteil Laim noch ein paar andere nette gastronomische Orte zu bieten. Beispielsweise das Tou Bakali am S-Bahnhof Laim, ein griechisches Spezialitätenrestaurant, das sich lohnt! Absolute Klassiker für mich waren früher immer der Deterbeck am Anger und MyStolz Burger House an der Fürstenriederstraße.
Eine weitere Laimer Spezialität ist Automatenwurst. Der Metzger Franz am Laimer Platz hat einen Automaten vor der Tür, aus dem ihr jeden Tag und jede Nacht frisches Fleisch holen könnt. An Guadn!
Das Interim am Laimer Anger
Auch mit Kultur im Vorstadtflair kann Laim punkten. Am Laimer Anger steht das Interim, in dem durch ehrenamtliche Organisation ein Ort für Theateraufführungen, Ausstellungen oder Konzerte geschaffen wurde. Organisator ist der Bürgertreff Laim e.V., der sich auch anderweitig im Stadtteil bemerkbar macht, durch kleinere Kunstveranstaltungen und das Laimer Sommerfest beispielsweise.
Westpark
Streng genommen liegt der Westpark nicht im Stadtteil Laim. Für mich ist er trotzdem genauso Teil meiner Kindheit und Jugend, wie das gesamte Stadtviertel, denn mein Gymnasium liegt direkt daneben. In einem anderen Artikel haben wir beschrieben, was ihr im Westpark alles unternehmen könnt und die Geschichte zusammengefasst. Auch die ehemalige Heilanstalt Neufriedenheim bzw. ehemalige Gehörlosenschule liegt hier. Diese ist natürlich geschlossen und sollte keineswegs als erkundungswerter Ort wahrgenommen werden!
Westbad
Genauso wie der Westpark liegt auch das Westbad streng genommen nicht in Laim, sondern in Pasing. Und genauso wie über den Westpark haben wir auch über das Westbad einen Artikel veröffentlicht, denn das Westbad ist definitiv eines der besten Freibäder Münchens. Das ist natürlich die rein objektive Meinung des Laimer Autors.
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