Warum, wann und wie entstand das Oktoberfest, das von den Bayern auch liebevoll nur die Wies’n genannt wird? Dass das Kultfest eine historische Geschichte hat, geht bei dem heutigen kollektiven Saufgelage oft unter. Doch wenn das Oktoberfest vorbei ist und alle wieder einen klaren Kopf haben, können wir uns endlich den Hintergründen dieses (Kult-)Festes widmen.
Fest mit Kultstatus: das Oktoberfest in München
Seid ihr schonmal über die Oide Wies’n spaziert? Habt ihr euch in den kleineren Zelten umgeschaut und die alten landwirtschaftlichen Maschinen bestaunt? Oder vielleicht habt ihr sogar dem Pferderennen beigewohnt?
Wenn ihr die Oide Wies’n kennt, dann wisst ihr schonmal mehr über die Ursprünge des Oktoberfests in München als der (von weit-)herkömmliche Wies’nbesucher. Das Pferderennen beispielsweise, aber auch die Ausstellungen über die Landwirtschaft, sind nämlich genau die Ursprünge des Oktoberfests.
Erstmalig wurde im Jahr 1810, genauer gesagt am 17.10.1810, auf der später so benannten Theresienwiese, eine Festivität veranstaltet. Diese war die Hochzeit von König Ludwig I. und Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen. Eingeladen ist das gesamte Land. Jedoch hatte die eigentliche Hochzeit bereits fünf Tage früher stattgefunden oder, besser ausgedrückt, begonnen.
In aller Kürze:
Am 12.10.1810 heiratet Kronprinz Ludwig I. und veranstaltet große Feierlichkeiten überall in München. Der junge, aus Trient stammende, bürgerliche Kavallerie-Major Dall’Armi schlägt dem König vor, ein Pferderennen vor den Toren der Stadt bei Sendling abzuhalten.
Er bezahlt nicht nur alle Kosten, sondern sorgt auch dafür, dass der Platz des Pferderennens fortan zu Ehren der Braut in die Theresen-Wiese umbenannt wird. Im nächsten Jahr regt der Landwirtschaftliche Verein in Bayern an, die Feierlichkeiten von nun an jedes Jahr zu veranstalten. Eine Tradition war geboren und das Münchner Oktoberfest somit zur offiziellen, alljährlichen Feier erklärt.
Historische Bewegungen: Bayern zu Zeiten des ersten Oktoberfests
Im Jahr 1810 ist Bayern (damals noch Baiern) ein sehr junges Königreich. Nur sieben Monate vor der Hochzeit des Kronprinzen war das Territorium das letzte Mal verändert worden.
Zu Bayern gehörten damals noch Vorarlberg, Trient und Salzburg. Dank dem Bündnis mit Napoleon, stand Bayern als einer der größten Gewinner der napoleonischen Kriege da und wurde im Jahr 1806 vom Kurfürstentum zum parlamentarischen Königreich erhoben.
Das infantile Königreich umfasste eine ganze Reihe unterschiedlicher Kulturen und nur wenige Monate vor den historischen Festlichkeiten in München wurde noch ein Bauernaufstand in Tirol blutig niedergeschlagen. Das Königreich war also alles andere als geeint.
Genau das wollten die Wittelsbacher mit dem ersten Münchner Oktoberfest adressieren. Bei den Festlichkeiten gab es allerlei Ausstellungen und Darbietungen aus verschiedenen Kulturen in Bayern. Das Hauptanliegen der Wittelsbacher war es allerdings, sich volksnah zu präsentieren und so das Volk auf Seiten des neuen Königreichs sowie -hauses zu ziehen.
Auf dem ersten Oktoberfest floss das Bier übrigens reichlich und alles wurde aus der Staatskasse bezahlt, die Bürger gaben nichts für Verköstigung und Verflüssigung aus. Und was macht einem König seine Untertanen gewogener als Freibier?
Tracht ist Tradition? Fehlanzeige!
In der anfänglichen Geschichte des Oktoberfestes, bis ins späte 19. Jahrhundert hinein, wird mit allergrößter Wahrscheinlichkeit von Dirndl und Lederhosen weit und breit keine Spur gewesen sein. Wie kann das sein? Ist die Lederhos’n und das Dirndl nicht die Traditionskleidung der Bayern schlechthin? Nicht wirklich.
Das, was wir heute als klassische bayrische Tracht verstehen, wurde erst mit Maximilian II. und Luitpold von Bayern im späten 19. Jahrhundert um 1880 herum populär. Die Wittelsbacher machen die Lederhosen quasi als Marketingstunt populär. Weder die Lederhose noch das Dirndl waren jemals Kleidung der armen Bauernbevölkerung.
Dirndl wurden erstmalig von reichen Münchnerinnen auf ihren Sommerausflügen zum Chiemsee getragen, während Lederhosen und Trachtenhüte von adeligen oder reichen Bürgern für die Jagd getragen wurden.
Auch hier war das Ziel der herrschenden Wittelsbacher, das zersplitterte Bayern zusammenzuführen. Sie wollen einen „bayrischen Look“ entwerfen, der auf der gesamten Welt sofort erkannt wird und Bayern untereinander sich erkennen und sagen können: So sieht Bayern aus.
Das Münchner Oktoberfest und Trachten, sie scheinen heute unzertrennlich. Am ersten Wies’n-Sonntag präsentieren sogar alljährlich rund 9.500 Mitwirkende die Trachten sowie die dazugehörigen Volkstänze Bayerns. Festlich gekleidet und mit geschmückten Festwägen geht es an Tribünen mit Ehrengästen durch die Münchner Innenstadt zur Oktoberfestwiese.
Ursprünglich hatten die Trachten und das Oktoberfest allerdings nichts gemein, außer einer geteilten Intention: Propaganda.
Das Oktoberfest in München heute
Die Wies’n findet jährlich in der Zeit von Ende September bis Anfang Oktober für zwei Wochen immer noch auf der Münchner Theresienwiese statt. Die 42 Hektar große Sonderfläche befindet sich zentrumsnah in der Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt. Mit durchschnittlich 6 Millionen Besuchern ist es heutzutage das größte Volksfest der Welt.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde es dann langsam zu einem überregional bekannten Volksfest, das heute Besucher aus der ganzen Welt anlockt. In Jahren des Krieges fiel das Oktoberfest in München leider aus, nach dem Zweiten Weltkrieg wurden auch die Pferderennen abgeschafft.
Dafür entstanden im Laufe der Geschichte des Oktoberfestes neue Traditionen, die bis heute gepflegt werden. Der Start der Feierlichkeiten wird mit dem Einzug der Wies’nwirte und der Brauereien eingeleitet Begleitet von Musikkapellen und Kutschen marschieren sie ein. Anschließend wird um 12 Uhr der Fassanstich durch den jeweils amtierenden Oberbürgermeister der Stadt München vorgenommen.
Bis heute wird die Zeremonie ebenso live im Fernsehen übertragen wie der Trachten- und Schützentag am Folgetag. Dieser wurde 1835 anlässlich der Silberhochzeit von König Ludwig I. und Therese eingeführt.
Das Oktoberfestbier
In den Betriebsvorschriften des Oktoberfestes steht geschrieben, dass auf dem Fest nur Münchner Bier der Münchner Traditionsbrauereien ausgeschenkt werden darf. Derzeit zählen zu diesen Brauereien, mit Sitz in München, Paulaner, Spatenbräu, Hacker-Pschorr, Augustiner, Hofbräu und Löwenbräu.
Die Brauereien verkaufen auf der Festwiese jährlich rund 60.000 Hektoliter Bier. Neben dem Bier konsumieren die Gäste fast eine halbe Million Brathendl auf der Wies’n.
Da in den 15 kleinen und 14 großen Festzelten gerade einmal 100.000 Personen Sitzplätze finden, sind sie oft schon kurz nach der Öffnung wegen Überfüllung geschlossen. Trotzdem tut das der Freude und dem Spaß auf dem Münchner Oktoberfest keinen Abbruch.
Attraktionen und die Oide Wiesn
Zu den beliebtesten Attraktionen des Oktoberfestes in München gehören das Riesenrad, der Schichtl sowie die Krinoline.
Im Schichtl werden täglich in kurzen Vorstellungen Zaubereien und Kuriositäten vorgestellt. Jährlich präsentiert sich dort eine eigens für das Oktoberfest entwickelte Show, bei der stets auf humorvolle Weise das vorbeigehende Publikum beschimpft wird. Der Höhepunkt der Veranstaltung ist die inszenierte Enthauptung einer lebendigen Person.
Bei der Krinoline handelt es sich um ein traditionelles Rundkarussell, das seit nunmehr fast 100 Jahren fester Bestandteil der Wies’n ist.
Anlässlich des 200-jährigen Jubiläums des Oktoberfestes wurde vor einigen Jahren erstmals die Oide Wiesn eingeführt. Es findet am Rande des Oktoberfestes statt und ist im Grunde eine eigene unabhängige Veranstaltung. Dort werden dem Besucher historische Fahrgeschäfte, Festzelte und traditionelle Attraktionen geboten.
Begleitet mit einem künstlerischen und kulturellen Programm, können hier ein Museums- sowie Tierzelt besichtigt werden. Ebenso wird dort die traditionelle Pferderennbahn präsentiert. Die Gäste erhalten auf der Oiden Wiesn ein eigens dafür, von den Münchner Brauereien gemeinsam gebrautes, dunkles Spezialbier. Dies wird nach einer historischen Rezeptur des 19. Jahrhunderts hergestellt.
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